Vorläufige Einordnung des Vorschlags für ein „EU-Lieferkettengesetz“

Wir von der Initiative tragbarer Lebensstil haben uns den Vorschlag der EU-Kommission vom 23.02.2022 angeschaut. Nach monatelangem Ringen innerhalb der Kommission und mehrmaliger Verzögerung – auch durch das sog. Regulatory Scrutiny Board – wurde der Vorschlag veröffentlicht.

Unsere erste Einschätzung:

Das Fazit vorweg: Es gibt Elemente, die sind ambitionierter als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Z.B. enthält der Annex I (Hier gehts zum Download) deutlich mehr völkerrechtliche Verträge als der Katalog des § 2 I i.V.m. Annex des deutschen Lieferkettengesetzes vorsieht.
Außerdem enthält das Gesetz eine zivilrechtliche Haftungsgrundlage, die neben die Haftung tritt, die es bisher in Ausnahmefällen geben kann. Das ist gut, wenn das so bleibt. Zugleich bleibt das Gesetz sehr beschränkt in seiner Reichweite (voraussichtlich nur 1. Stufe der Lieferkette) und Kläger:innen sehen sich vor europäischen Gerichten vor allem beinahe unüberwindbaren praktischen Hürden gegenüber.

Etwas ausführlicher:

Anscheinend hat die Kommission einen großen Anteil vom deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz „kopiert“. Vieles ist ähnlich von der Konzeption und vom Aufbau, bis hin zu den verwendeten Worten. So soll grdsl. auch eine behördliche Überwachung der Einhaltung der Pflichten durch nationale Behörden eingeführt werden. An sich war das deutsche Gesetz aber auch rechtstechnisch sinnvoll gemacht. Beachtenswert ist im Vergleich zum deutschen Gesetz ist:

1. Die Verantwortung besteht nicht entlang der gesamten Lieferkette, sondern für eigenes Handeln, das von Tochterunternehmen und von Unternehmen mit denen eine „established business relationship“ besteht (Siehe Art. 1 des Vorschlags). Dabei handelt es sich in den allermeisten Fällen – wie im deutschen Gesetz – um die 1. Stufe der Lieferkette (Tier 1). Es muss aber noch etwas hinzutreten, als bloß eine einmalge Lieferung. Vielmehr braucht es so etwas wie ein mehrfaches Handeln und eine etablierte Verhandlungsbasis. Angesichts dessen, dass die Käufer-getriebenen Lieferketten, wie z.B. Textil, besonders anfällig für Menschenrechtsverletzungen sind, ist das etwas unverständlich. Das stutzt den tatsächlichen Einfluss der Regelung sehr ein.

2. Der Vorschlag würde – wenn in den Mitgliedsstaaten umgesetzt – als Gesetz Anwendung finden auf Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen (und 150 Millionen € Umsatz), und auf Unternehmen, die 250 Mitarbeiter:innen (und 40 Millionen € Umsatz) haben, wenn 50 % des Umsatzes aus besonders risikoreichen Sektoren kommen (Siehe Art. 2). Zu den Risikosektoren gehört z.B. auch Textilien. Das ist sehr zu begrüßen und würde zu einer starken Erweiterung des Anwendungsbereichs des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz führen.

3. Nach Art. 7 und 8 des Vorschlags sind die Unternehmen zur Ergreifung von Maßnahmen zum Abstellen von Menschenrechtsrisiken verpflichtet. Diese Verpflichtung ist weitergehender als die im deutschen LKG vorgesehenen Pflichten.

4. Die (gegenüber dem deutschen Gesetz neue und zusätzliche) Haftungsregel ist sehr beschränkt (Art. 22 des Vorschlags), weil nur für Schäden gehaftet werden soll, die entstehen, weil ein Unternehmen seine nach Art. 7 und 8 EU-LKG bestehende Pflicht zur Reduzierung der (vorher) bestehenden Gefahr nicht ausreichend wahrgenommen hat. Das ist in Frankreich ähnlich geregelt und diesen Nachweis zu erbringen ist sehr, sehr schwer. Aber es ist trotzdem ein großer Schritt, wenn es so ähnlich kommt, gerade auch weil es einfach insgesamt schwer ist zu regeln. Schon seit langem dreht sich aber die Diskussion bei Zugang zu effektivem Rechtsschutz für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen vor allem auch um praktische Hürden. Hierzu ist im Vorschlag bisher nichts vorgesehen.

5. Mit Art. 15 sollen Staaten eine Verpflichtung für Unternehmen schaffen „den Klimawandel zu bekämpfen“, was sich vor allem auf den 1,5 Grad-Pfad bezieht. Was das genau bedeutet, muss man in Zukunft sehen. Hier könnte sich jedoch viel Potenzial für die Einbeziehung der Privatwirtschaft in die Bekämpfung des Klimawandels ergeben.

Hier gehts zum Vorschlag der Kommission:

Hier gehts zu weiteren Hinweisen und Anmerkungen zum Vorschlag der EU-Kommission:

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