Im Frühjahr 2020 war die Freude groß, als EU-Justizkommissar Didier Reynders ankündigte, dass man an einem Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz arbeiten würde. 18 Monate und einen positiven Parlamentsbeschluss später verschiebt die EU-Kommission erneut die Veröffentlichung eines Vorschlags und reißt damit ihre eigene Ankündigung.
Nach der Ankündigung 2020 beschloss das EU-Parlament im März 2021 mit großer Mehrheit in einem Legislativbericht Anforderungen für ein europäisches Lieferkettengesetz (EU Human Rights Due Dilligence). Doch die Ankündigung, dass ein Vorschlag der EU-Kommission im Juni 2021 folgen würde wurde genauso wenig erfüllt, wie die spätere Ankündigung (bis Ende des Jahres).
Die EU-Kommission schweigt sich darüber hinaus aus, welche Gründe hinter der erneuten Verschiebung stecken.
Um hier Klarheit zu fordern und die EU-Kommission zu einem schnellen Handeln zu bringen, haben mehr als 40 Zivilgesellschaftliche Organisationen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (EPP/CDU) in einem offenen Brief dargelegt wieso eine weitere Verzögerung unhaltbar ist.
Hier geht es zum Beitrag der Initiative Lieferkettengesetz:
Donnerstag, 02. Dezember 2021, 18.00 bis 19:30 Uhr
Schlechte Produktionsbedingungen von Kleidung rufen regelmäßig Entsetzen hervor. Kann das Lieferkettengesetz die Produzierenden besser schützen?
Können gesetzliche Regelungen wie das Lieferkettengesetz dazu beitragen, dass menschenwürdige Arbeitsbedingungen und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in globalen Lieferketten selbstverständlich werden? Diese Fragestellung diskutiert Moderatorin Tanja Schulz mit Christine Priessner (Initiative Lieferkettengesetz), Julia Thimm (Head of Human Rights, Tchibo GmbH), Enrico Rima (Lebenskleidung GbR) und dem Journalisten Caspar Dohmen (Autor „Lieferketten“).
Die Veranstaltung war zunächst als Veranstaltung im Museum August Kestner mit einer Personenbeschränkung geplant. Wegen der wieder steigenden Infektionszahlen findet die Veranstaltung nun online über Zoom statt.
Eine Veranstaltung der Initiative auf der Suche nach einem tragbaren Lebensstil, des 3WF Hannover, des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt und der Hochschule Hannover in Kooperation mit dem Fachbereich Didaktik der Geographie der Leibniz Universität Hannover und der Rosa- Luxemburg-Stiftung Niedersachsen.
Die Ausstellung „use less – Slow Fashion – gegen Verschwendung und hässliche Kleidung“ wird am 31.10.21 um 16 h im Museum August Kestner eröffnet. Dort werden Arbeiten des Fachbereichs Modedesign der Hochschule Hannover gezeigt, die vielfältige Wege einer nachhaltigeren Herstellung von Kleidung ausprobieren. In Ausstellung und Rahmenprogramm geht es auch um die Geschichte der Kleidungsherstellung und soziale Herausforderungen entlang der textilen Lieferkette.
Mehr Informationen auf https://useless-ausstellung.de/
Die Anzeige erhöht jedoch den Druck auf deutsche und europäische Unternehmen (wie auch eine Anzeige in Frankreich zeigt), dass diese die Zusammenarbeit mit Zulieferern in der Region prüfen sollten.
Natürlich kannte keiner aus unserer Gruppe John Ruggie persönlich. Den Namen aber, den kannten wohl die meisten, die sich in für Wirtschaft und Menschenrechte interessieren. John Ruggie ist im Alter von 76 Jahren im September verstorben.
John Ruggie wurde 2005 nach einer erfogreichen akademischen Karriere und einer zweiten erfolgreichen Karriere als Chefberater von UN-Generalsekretär Kofi Annan zum UN-Sonderbeauftragten für Unternehmen und Menschenrechte ernannt. Er hatte die Aufgabe Verhandlungen neu zu beginnen, die in den 1990er Jahren auf UN-Ebene gescheitert waren: Menschenrechtsverletzungen durch Multinationale Unternehmen zu regulieren.
2011 verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat die von John Ruggie und seinem Team ausgearbeiteten UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten (UN-Guiding Principles on Business and Human Rights, UNGP). Die UN-Leitprinzipien waren die ersten kodifizierten UN-Regelungen zu diesem Thema. Doch es handelt sich um sog. soft law, also Regelungen die nicht bindend sind. Nichtsdestotrotz handelte es sich dabei um Vorschriften, deren Einhaltung überprüft werden konnte. Zum ersten Mal mussten sich Staaten und Unternehmen rechtfertigen, weil sie mit ihrem Verhalten im Widerspruch zu UN-Vorschriften standen.
Doch dabei blieb es nicht: Jedes legislative Projekt, mit dem Ziel Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu regulieren, war zum einen von den UN-Leitprinzipien inspieriert und zweitens, musste es sich von nun an an den UN-Leitprinzipien messen lassen.
So war es auch beim deutschen Lieferkettengesetz, das in wesentlichen Punkten (Reichweite entlang der Lieferkette, Fokus auf besonders schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, Stakeholder Engagement) nicht mit den UN-Leitprinzipien übereinstimmt. So hatte es John Ruggie auch in einem Brief an den Bundesarbeitsminsiter Hubertus Heil (SPD) formuliert.
Nur wenigen soft-law Instrumenten ist es vergönnt einen so großen Einfluss zu haben, wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Die nationalen Lieferkettengesetze in Frankreich, Deutschland und Norwegen wären ohne die Verabschiedung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte im Jahr 2011 nicht möglich gewesen – und die UN-Leitprinzipien wären ohne John Ruggie nicht möglich gewesen.
Er hat viel für die Menschenrechte in globalen Lieferketten getan.
In der Woche vom 25. – 29.10. findet die siebte Verhandlungsrunde zum sog. Binding Treaty in Genf statt. Unter dem Binding Treaty werden die Verhandlungen für ein verbindliches Internationales Abkommen zur Schaffung von verbindlichen nationalen Regulierungen für den Schutz von Menschenrechten in internationalen Lieferketten diskutiert.
Kurz gesagt: Wenn bei den Verhandlungen zum Binding Treaty ein ambitioniertes Internationales Abkommen entsteht und viele Staaten das Abkommen ratifizieren, werden immer mehr nationale Regelungen zum Verbot von Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Unternehmen entstehen. Wenn sich so ein internationaler Standard durchsetzt, können globale Lieferketten fairer gestaltet werden.
Das Problem: Ähnlich wie beim deutschen Lieferkettengesetz, gibt es viele Akteur:innen, die an weniger strengen Anforderungen interessiert sind. Viele Industriestaaten beteiligen sich bisher nicht ausreichend an der Diskussion. Auch die EU hat noch kein Mandat, um sich aktiv an den Verhandlungen zu beteiligen.
Höchste Zeit, dass sich das ändert!
Einordnungen und weiterführende Informationen zum sog. „third revised draft“, also dem dritten Entwurf, der im Oktober in Genf zwischen den Staaten diskutiert wird, gibt es hier:
Die großen Erfolge des Bangladesh Accord (häufig auch nur ACCORD, oder mit vollem Namen: Bangladesh Accord on Building and Fire Safety) drohten verloren zu gehen, weil sich keine Einigung zwischen der Regierung Bangladeschs, den bisher beteiligten westlichen Firmen und den zivilgesellschaftlichen Organisationen abzeichnete.
Doch mit der Einigung auf eine Neuauflage können die Menschen in der Textilindustrie in Bangladesch sich weiter darauf verlassen ein wirksames und verbindliches Kontrollinstrumentarium für die Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz in Bezug auf die Gebäudesicherheit und Feuerrisiken an ihrer Seite zu haben.
Der ursprüngliche Bangladesh Accord wurde 2013, nach dem Einsturz des Rana Plaza Gebäudes mit mehr als 1.100 Toten eingeführt und führte innerhalb weniger Monate zur Schließung von rund 50 Fabriken und zur Bearbeitung von mehr als 80.000 Mängeln in den Fabriken der Textilindustrie Bangladeschs. Was das Abkommen so besonders macht, ist zum einen, dass die Kontrollorganisation eine Fabrik für den Handel mit den unterzeichnenden westlichen Abnehmern „sperren“ kann, wenn die Sicherheitsmängel zu groß sind. Außerdem wurden Teams aus Mitarbeiter:innen gebildet, die für die Sicherheit in ihren Fabriken Ansprechpartner:innen sind. Zudem können die Mitarbeiter:innen der Fabriken einen unabhängigen Beschwerdemechanismus nutzen, auf den sie sich tatsächlich verlassen können.
Hier finden Sie die Pressemitteilung der Kampagne für Saubere Kleidung zum Abschluss des Abkommens:
Die Roxa Luxemburg Stiftung hat einen Film des Filmemachers Patrick Kohl finanziert und jetzt veröffentlicht, in dem die Journalistin Helen Flares und der Influencer Willy Iffland Menschen aus der Textilindustrie Kambodschas begegnen und sich der Frage stellen wer macht unsere Kleidung. Und damit der Frage der Kampagne #whomademyclothes näher kommen wollen.
Der achtteilige Film (insgesamt ca. 110 Minuten) begleitet die beiden Protagonist*innen bei der Reise durch das Land in dem rund ein Fünftel der Bevölkerung in der Textilproduktion arbeitet, meist für westliche Abnehmer.
Der Film als Ganzes eröffnet einen niedrigschwelligen Zugang zu den Problemen, die die Textilindustrie mit sich bringt – wie den unsicheren Arbeitsbedingungen und Anstellungsverhältnissen, dem CO2 Ausstoß, dem Ressourcenverbrauch und dem „Wert“ der Kleidung.
Am Montag, den 12.04.2021 diskutierten Bernd Lange (MdEP), Miriam Saage-Maaß (ECCHR), Thomas Rudhof-Seibert (medico international) und Wolfgang Lemb (IG Metall) mit Johannes Katzan (Initiative tragbarer Lebensstil) darüber, was die Einigung auf ein Lieferkettengesetz in Deutschland und die Fortschritte auf europäischer Ebene bedeuten.
Diese Diskussion können Sie hier oder auf YouTube nachvollziehen
Wir haben die Veranstaltung „Lieferkettengesetz – und jetzt?“ vom Montag, 12. April aufgenommen. Unter diesem Link kann die Diskussion nachvollzogen werden. Den Link können Sie gerne weitergeben und verlinken:
Fragen während der Veranstaltung
Die Fragen, die wir während der Veranstaltung nicht beantworten konnten, möchten wir gerne – wie angekündigt – unserem Podium weitergeben.
Sie können auch gerne noch weitere Fragen an die Diskussionsteilnehmer:innen stellen. Hierfür nutzen Sie am besten dieses Feedback-Formular:
Unter dem Stichwort Lieferkettenbrief an die lokalen Bundestagsabgeordneten eine Nachricht senden, in der Nachbesserungen zum bisherigen Gesetzesvorschlag eingefordert werden können: https://lieferkettengesetz.de/lieferkettenbrief/
#SolidaitaetmitRalfSander
Abschließend wollen wir auf die Demostration gegen die Kündigung des Primark Betriebsrates Ralf Sander aufmerksam machen: Demonstration für Ralf Sander am Freitag, 16. April 2021, 10.30 Uhr Ernst-August-Platz / Ecke Bahnhofstrasse Hannover:
Bernd Lange (MdEP), Miriam Saage-Maaß (ECCHR), Thomas Rudhof-Seibert (medico international) und Wolfgang Lemb (IG Metall) diskutieren mit Johannes Katzan (Initiative tragbarer Lebensstil) darüber, was die Einigung auf ein Lieferkettengesetz in Deutschland und die Fortschritte auf europäischer Ebene bedeuten. (Anmeldungen unter: https://www.igmetall-nieder-sachsen-anhalt.de/anmeldungen/veranstaltung-lieferkettengesetz/)
Was soll das Lieferkettengesetz regeln? (Stand 12.02.)
Wird vom Bundestag das Gesetz so verabschiedet, wie es jetzt von den drei Ministern dem Kabinett vorgelegt wird, enthält es folgende Punkte:
Das Gesetz soll 2023 in Kraft treten und nur auf große Unternehmen Anwendung finden, mit mehr als 3.000 Mitarbeiter*innen (ab 2024: 1.000 Mitarbeiter*innen)
Die (ca. 600 bzw. ab 2024 ca. 3.000) Unternehmen müssen eine Sorgfaltspflicht für Menschenrechte in ihren Lieferketten einhalten. Das heißt vor allem, sie müssen Risiken analysieren und möglicherweise Maßnahmen ergreifen.
Dafür müssen sie Berichte erstellen, in denen sie zeigen, wie sie ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen. Erstellen sie diese Berichte nicht ordnungsgemäß können sie mit einem Bußgeld belegt werden.
Diese Sorgfaltspflicht trifft die Unternehmen aber NUR für ihre unmittelbaren Zulieferer. Auf den weiteren Stufen der Lieferkette (also bezüglich der Zulieferer der Zulieferer) müssen die Unternehmen nur tätig werden, wenn ihnen konkrete Anhaltspunkte z.B. durch eine Beschwerde angezeigt werden. Dafür müssen die Unternehmen einen Beschwerdemechanismus etablieren, der auch entlang der gesamten Lieferkette zugänglich ist.
Kommen die Unternehmen der Sorgfaltspflicht anhaltend nicht nach, können sie auch für 3 Jahre von der öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.
Es gibt KEINE zusätzlichen Haftungsregelungen. Das KiK-Verfahren hatte gezeigt, dass zumindest in Einzelfragen die Anwendbarkeit deutschen Rechts (also eine Neuregelung des anwendbaren Rechts) wünschenswert gewesen wäre.
In Zukunft können nach dem Gesetz NGOˋs und Gewerkschaften von Betroffenen ermächtigt werden für sie vor deutschen Gerichten zu klagen. Das kann Klagen für Betroffene stark vereinfachen und günstiger machen.
Unter dem Stichwort Lieferkettenbrief können Sie an Ihre Bundestagsabgeordnete oder ihren Bundestagsabgeordneten eine Nachricht senden, in der Sie Nachbesserungen des bisherigen Gesetzesvorschlags einfordern. Zu der Aktion und dem vorgefertigten Brief gelangen Sie unter diesem Link: https://lieferkettengesetz.de/lieferkettenbrief/