John Ruggie, der Autor der UN-Leitprinzipien, ist verstorben

Natürlich kannte keiner aus unserer Gruppe John Ruggie persönlich. Den Namen aber, den kannten wohl die meisten, die sich in für Wirtschaft und Menschenrechte interessieren. John Ruggie ist im Alter von 76 Jahren im September verstorben.

John Ruggie wurde 2005 nach einer erfogreichen akademischen Karriere und einer zweiten erfolgreichen Karriere als Chefberater von UN-Generalsekretär Kofi Annan zum UN-Sonderbeauftragten für Unternehmen und Menschenrechte ernannt. Er hatte die Aufgabe Verhandlungen neu zu beginnen, die in den 1990er Jahren auf UN-Ebene gescheitert waren: Menschenrechtsverletzungen durch Multinationale Unternehmen zu regulieren.

2011 verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat die von John Ruggie und seinem Team ausgearbeiteten UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten (UN-Guiding Principles on Business and Human Rights, UNGP). Die UN-Leitprinzipien waren die ersten kodifizierten UN-Regelungen zu diesem Thema. Doch es handelt sich um sog. soft law, also Regelungen die nicht bindend sind. Nichtsdestotrotz handelte es sich dabei um Vorschriften, deren Einhaltung überprüft werden konnte. Zum ersten Mal mussten sich Staaten und Unternehmen rechtfertigen, weil sie mit ihrem Verhalten im Widerspruch zu UN-Vorschriften standen.

Doch dabei blieb es nicht: Jedes legislative Projekt, mit dem Ziel Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu regulieren, war zum einen von den UN-Leitprinzipien inspieriert und zweitens, musste es sich von nun an an den UN-Leitprinzipien messen lassen.

So war es auch beim deutschen Lieferkettengesetz, das in wesentlichen Punkten (Reichweite entlang der Lieferkette, Fokus auf besonders schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, Stakeholder Engagement) nicht mit den UN-Leitprinzipien übereinstimmt. So hatte es John Ruggie auch in einem Brief an den Bundesarbeitsminsiter Hubertus Heil (SPD) formuliert.

Nur wenigen soft-law Instrumenten ist es vergönnt einen so großen Einfluss zu haben, wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Die nationalen Lieferkettengesetze in Frankreich, Deutschland und Norwegen wären ohne die Verabschiedung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte im Jahr 2011 nicht möglich gewesen – und die UN-Leitprinzipien wären ohne John Ruggie nicht möglich gewesen.

Er hat viel für die Menschenrechte in globalen Lieferketten getan.

Nachrufe:

7. Verhandlungsrunde zum „Binding Treaty“ im Oktober

In der Woche vom 25. – 29.10. findet die siebte Verhandlungsrunde zum sog. Binding Treaty in Genf statt. Unter dem Binding Treaty werden die Verhandlungen für ein verbindliches Internationales Abkommen zur Schaffung von verbindlichen nationalen Regulierungen für den Schutz von Menschenrechten in internationalen Lieferketten diskutiert.

Kurz gesagt: Wenn bei den Verhandlungen zum Binding Treaty ein ambitioniertes Internationales Abkommen entsteht und viele Staaten das Abkommen ratifizieren, werden immer mehr nationale Regelungen zum Verbot von Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Unternehmen entstehen. Wenn sich so ein internationaler Standard durchsetzt, können globale Lieferketten fairer gestaltet werden.

Das Problem: Ähnlich wie beim deutschen Lieferkettengesetz, gibt es viele Akteur:innen, die an weniger strengen Anforderungen interessiert sind. Viele Industriestaaten beteiligen sich bisher nicht ausreichend an der Diskussion. Auch die EU hat noch kein Mandat, um sich aktiv an den Verhandlungen zu beteiligen.

Höchste Zeit, dass sich das ändert!

Einordnungen und weiterführende Informationen zum sog. „third revised draft“, also dem dritten Entwurf, der im Oktober in Genf zwischen den Staaten diskutiert wird, gibt es hier:

https://www.business-humanrights.org/en/big-issues/binding-treaty/summary-third-revised-draft-of-the-binding-treaty-on-business-and-human-rights/?mc_cid=05b2e4eaa9&mc_eid=UNIQID

Unseren Kommentar zur sechsten Verhandlungsrunde gibt es hier:

Veranstaltung: Lieferkettengesetz – und jetzt?

Am Montag, den 12.04.2021 diskutierten Bernd Lange (MdEP), Miriam Saage-Maaß (ECCHR), Thomas Rudhof-Seibert (medico international) und Wolfgang Lemb (IG Metall) mit Johannes Katzan (Initiative tragbarer Lebensstil) darüber, was die Einigung auf ein Lieferkettengesetz in Deutschland und die Fortschritte auf europäischer Ebene bedeuten.

Diese Diskussion können Sie hier oder auf YouTube nachvollziehen

Wir haben die Veranstaltung „Lieferkettengesetz – und jetzt?“ vom Montag, 12. April aufgenommen. Unter diesem Link kann die Diskussion nachvollzogen werden. Den Link können Sie gerne weitergeben und verlinken:

Fragen während der Veranstaltung

Die Fragen, die wir während der Veranstaltung nicht beantworten konnten, möchten wir gerne – wie angekündigt – unserem Podium weitergeben. 

Sie können auch gerne noch weitere Fragen an die Diskussionsteilnehmer:innen stellen. Hierfür nutzen Sie am besten dieses Feedback-Formular:

https://www.i-connection.info/home-aktuelles/feedback-lieferkettengesetz/


Die Diskussion „Lieferkettengesetz – und jetzt?“ war Teil einer politischen Veranstaltungsreihe zur Hannovermesse Industrie vom 12. – 16. April 2021: https://www.igmetall-nieder-sachsen-anhalt.de/home-aktuelles/news-details/gewerkschaft-mit-spannenden-veranstaltungen-bei-digitaler-hannover-messe-freier-eintritt-fuer-ig-me/


Unter https://www.tragbarer-lebensstil.de/2021/04/12/diskussion-hintergrund-lieferkettengesetz-und-jetzt/ kann zudem eine Einführung von Martin Suchrow zum Lieferkettengesetz aufgerufen werden.

Lieferkettenbrief-Aktion

Unter dem Stichwort Lieferkettenbrief an die lokalen Bundestagsabgeordneten eine Nachricht senden, in der Nachbesserungen zum bisherigen Gesetzesvorschlag eingefordert werden können: https://lieferkettengesetz.de/lieferkettenbrief/

#SolidaitaetmitRalfSander

Abschließend wollen wir auf die Demostration gegen die Kündigung des Primark Betriebsrates Ralf Sander aufmerksam machen: Demonstration für Ralf Sander am Freitag, 16. April 2021, 10.30 Uhr Ernst-August-Platz / Ecke Bahnhofstrasse Hannover:

Diskussion & Hintergrund: „Lieferkettengesetz – und jetzt?“

Bernd Lange (MdEP), Miriam Saage-Maaß (ECCHR), Thomas Rudhof-Seibert (medico international) und Wolfgang Lemb (IG Metall) diskutieren mit Johannes Katzan (Initiative tragbarer Lebensstil) darüber, was die Einigung auf ein Lieferkettengesetz in Deutschland und die Fortschritte auf europäischer Ebene bedeuten. (Anmeldungen unter: https://www.igmetall-nieder-sachsen-anhalt.de/anmeldungen/veranstaltung-lieferkettengesetz/)

Was soll das Lieferkettengesetz regeln? (Stand 12.02.)

Wird vom Bundestag das Gesetz so verabschiedet, wie es jetzt von den drei Ministern dem Kabinett vorgelegt wird, enthält es folgende Punkte:

Das Gesetz soll 2023 in Kraft treten und nur auf große Unternehmen Anwendung finden, mit mehr als 3.000 Mitarbeiter*innen (ab 2024: 1.000 Mitarbeiter*innen)

Die (ca. 600 bzw. ab 2024 ca. 3.000) Unternehmen müssen eine Sorgfaltspflicht für Menschenrechte in ihren Lieferketten einhalten. Das heißt vor allem, sie müssen Risiken analysieren und möglicherweise Maßnahmen ergreifen.

Dafür müssen sie Berichte erstellen, in denen sie zeigen, wie sie ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen. Erstellen sie diese Berichte nicht ordnungsgemäß können sie mit einem Bußgeld belegt werden.

Diese Sorgfaltspflicht trifft die Unternehmen aber NUR für ihre unmittelbaren Zulieferer. Auf den weiteren Stufen der Lieferkette (also bezüglich der Zulieferer der Zulieferer) müssen die Unternehmen nur tätig werden, wenn ihnen konkrete Anhaltspunkte z.B. durch eine Beschwerde angezeigt werden. Dafür müssen die Unternehmen einen Beschwerdemechanismus etablieren, der auch entlang der gesamten Lieferkette zugänglich ist.

Kommen die Unternehmen der Sorgfaltspflicht anhaltend nicht nach, können sie auch für 3 Jahre von der öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

Es gibt KEINE zusätzlichen Haftungsregelungen. Das KiK-Verfahren hatte gezeigt, dass zumindest in Einzelfragen die Anwendbarkeit deutschen Rechts (also eine Neuregelung des anwendbaren Rechts) wünschenswert gewesen wäre.

In Zukunft können nach dem Gesetz NGOˋs und Gewerkschaften von Betroffenen ermächtigt werden für sie vor deutschen Gerichten zu klagen. Das kann Klagen für Betroffene stark vereinfachen und günstiger machen.

An dem gefundenen Kompromiss wurde von unterschiedlicher Seite deutliche Kritik formuliert. Hier finden Sie unseren ausführlicheren Text dazu: https://www.tragbarer-lebensstil.de/2021/02/12/koalition-einigt-sich-auf-ein-abgeschwaechtes-lieferkettengesetz/

Lieferkettenbrief-Aktion

Unter dem Stichwort Lieferkettenbrief können Sie an Ihre Bundestagsabgeordnete oder ihren Bundestagsabgeordneten eine Nachricht senden, in der Sie Nachbesserungen des bisherigen Gesetzesvorschlags einfordern. Zu der Aktion und dem vorgefertigten Brief gelangen Sie unter diesem Link: https://lieferkettengesetz.de/lieferkettenbrief/

Lieferkettengesetz – und jetzt?

12.04.2021 von 16:45 -18 Uhr

Bernd Lange (MdEP), Miriam Saage-Maaß (ECCHR), Thomas Rudhof-Seibert (medico international) und Wolfgang Lemb (IG Metall) diskutieren mit Johannes Katzan (Initiative tragbarer Lebensstil) darüber, was die Einigung auf ein Lieferkettengesetz in Deutschland und die Fortschritte auf europäischer Ebene bedeuten.

Anlass ist die internationale Industrie Messe Hannover, die am 12.04. beginnt. Die Veranstaltung findet online statt. Anmeldungen erfolgen unter:

https://www.igmetall-nieder-sachsen-anhalt.de/anmeldungen/veranstaltung-lieferkettengesetz/

#PAYYOURWORKERS – Aktionswoche

Die Kampagne für saubere Kleidung (CCC) ruft zur Aktion #PayYourWorkers auf. Die Kampagne schreibt:

Es würde nur zehn Cent pro T-Shirt kosten, wenn die Modemarken dafür sorgen würden, dass Bekleidungsarbeiter:innen die Pandemie überleben.

Die 35 Millionen Menschen auf der ganzen Welt, die unsere Kleidung nähen, verdienen teilweise die niedrigsten Löhne der Welt.

10 % der Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie sind seit Beginn der Pandemie bereits entlassen worden. Millionen weitere sind von Entlassung bedroht und haben seit Monaten nicht ihren vollständigen Lohn erhalten. Die große Mehrheit dieser Arbeiter:innen sind Frauen, die in Jobs arbeiten, in denen ihre Arbeitsrechte nicht respektiert werden, was zu einem massiven Machtungleichgewicht in der Branche führt. Viele berichten, dass sie Mahlzeiten ausfallen lassen, sich Geld leihen, um Lebensmittel zu kaufen, und darum kämpfen, sich Gemüse oder Fleisch für ihre Familien leisten zu können, während die wirtschaftliche Krise der Pandemie andauert.“

Auf der Seite der CCC können Sie die Petition mitzeichnen.

Mach mit bei der globalen Aktionswoche #PayYourWorkers

Koalition einigt sich auf ein abgeschwächtes Lieferkettengesetz

Zuletzt waren sich die meisten Beobachter*innen der Berliner Politik nicht mehr sicher, ob das 2018 im Koalitionsvertrag vereinbarte Lieferkettengesetz noch vor Ende der Legislaturperiode kommen würde. Auf Druck der Zivilgesellschaft – ganz besonders der Initiative Lieferkettengesetz – haben sich Bundesarbeitsminister Heil (SPD), Bundesentwicklungsminister Müller (CSU) und Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) jetzt auf einen Kompromiss geeinigt. Der Gesetzesentwurf soll schon im März in den Bundestag eingebracht werden und noch vor Ende der Legislaturperiode verabschiedet werden. Der Vorschlag ist auf Kritik von Seiten zivilgesellschaftlicher Organisationen gestoßen.

12.02.2021

Was soll das Lieferkettengesetz regeln?

Wird vom Bundestag das Gesetz so verabschiedet, wie es jetzt von den drei Ministern dem Kabinett vorgelegt wird, enthält es folgende Punkte:

  • Das Gesetz soll 2023 in Kraft treten und nur auf große Unternehmen Anwendung finden, mit mehr als 3.000 Mitarbeiter*innen (ab 2024: 1.000 Mitarbeiter*innen)
  • Die (ca. 600 bzw. ab 2024 ca. 3.000) Unternehmen müssen eine Sorgfaltspflicht für Menschenrechte in ihren Lieferketten einhalten. Das heißt vor allem, sie müssen Risiken analysieren und möglicherweise Maßnahmen ergreifen.
  • Dafür müssen sie Berichte erstellen, in denen sie zeigen, wie sie ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen. Erstellen sie diese Berichte nicht ordnungsgemäß können sie mit einem Bußgeld belegt werden.
  • Diese Sorgfaltspflicht trifft die Unternehmen aber NUR für ihre unmittelbaren Zulieferer. Auf den weiteren Stufen der Lieferkette (also bezüglich der Zulieferer der Zulieferer) müssen die Unternehmen nur tätig werden, wenn ihnen konkrete Anhaltspunkte z.B. durch eine Beschwerde angezeigt werden.
  • Kommen die Unternehmen der Sorgfaltspflicht anhaltend nicht nach, können sie auch für 3 Jahre von der öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.
  • Es gibt KEINE zusätzlichen Haftungsregelungen. Das KiK-Verfahren hatte gezeigt, dass zumindest in Einzelfragen die Anwendbarkeit deutschen Rechts (also eine Neuregelung des anwendbaren Rechts) wünschenswert gewesen wäre.
  • In Zukunft können nach dem Gesetz NGOˋs und Gewerkschaften von Betroffenen ermächtigt werden für sie vor deutschen Gerichten zu klagen. Das kann Klagen für Betroffene stark vereinfachen und günstiger machen.

Bewertung

Die Bewertung fällt nicht eindeutig aus. Johanna Kusch schreibt für die Initiative Lieferkettengesetz in ihrer Stellungnahme:

„[der Entwurf] ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung: „Made in Germany“ darf nicht länger für Kinderarbeit oder Fabrikeinstürze in den Lieferketten deutscher Unternehmen stehen. Ein Anfang hierfür ist jetzt gemacht. (…) Klar ist aber auch: ein wirkungsvolleres Gesetz wäre möglich gewesen. (…) Durch die fehlende zivilrechtliche Haftung wird Opfern von schweren Menschenrechtsverletzungen ein verbesserter Rechtsschutz vor deutschen Gerichten verwehrt. Und auch die Pflicht zur Einhaltung von Umweltstandards berücksichtig das Gesetz nur marginal – hier gibt es dringenden Nachbesserungsbedarf. (…)

Johanna Kusch, Initiative Lieferkettengesetz, 12.02.2021

Von Seiten der Zivilgesellschaft gab es teils harsche Kritik, insbesondere die von Frau Kusch angesprochenen Punkte führen zu großer Enttäuschung: die fehlende Haftungsregelung und die Beschränkung auf Unternehmen ab 3.000 (später 1.000) Mitarbeiter*innen sowie die Beschränkung im wesentlichen auf die erste Stufe der Lieferkette, erlauben den Unternehmen im Wesentlichen so weiter zu machen wie bisher. Es sei vor allem ein „Minimalkonsens“. Und Schlupflöcher gibt es auch: Leitet ein Unternehmen mit 3.000 Mitarbeiter*innen die Lieferung aus dem Ausland über einen Vertragspartner in Deutschland, der nur 900 Mitarbeiter*innen hat, findet das Gesetz gar keine Anwendung, solange keine konkreten Anhaltspunkte für eine Menschenrechtsverletzung vorliegen.

Betont wurde aber auch von Seiten der Zivilgesellschaft, dass es dem Engagement von Hubertus Heil und Gerd Müller zu verdanken ist, dass es überhaupt ein relativ ambitioniertes Gesetz gibt.

Unternehmensverbände wie der Dachverband Nordhandel oder der BDI befürchten durch den „nationalen Alleingang“ einen Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen. Fabian Kruse, Präsident von Nordhandel, betonte allerdings auch, dass er froh sei, dass die von den Verbänden geäußerten Befürchtungen aufgenommen worden wären – Ein Lob, dass die zivilgesellschaftlichen Verbände wohl ungerne hören.

Hintergrund

Vor mittlerweile rund zwei Jahren wurde ein erster Entwurf für ein Lieferkettengesetz aus dem Bundesentwicklungsministerium von Gerd Müller (CSU) bekannt. Nicht erst seitdem wurde die Diskussion um ein Lieferkettengesetz von zivilgesellschaftlicher Seite vorangetrieben. Der Start der Initiative Lieferkettengesetz im Jahr 2019 bündelte die zivilgesellschaftliche Kraft hinter einer Stimme und einer sehr erfolgreichen Kampagne.

Zweifellos waren der Entwurf des BMZ und die im Juni 2020 vorgestellten Eckpunkte noch ambitionierter als der jetzige Vorschlag, auch wenn schon damals Kritik geäußert wurde. Die Initiative Lieferkettengesetz hatte noch weitergehende Vorschläge gemacht. Sie hatte z.B. ein Gesetz mit einer ausdrücklich geregelten zivilrechtlichen Haftung vorgeschlagen und ausgearbeitet. Letztendlich ist die Jahrelange Auseinandersetzung um die Einführung eines Lieferkettengesetzes damit nicht in allen Punkten erfolgreich und auch sicherlich nicht vorbei.

Als nächstes müssen die Parlamentarier sich dem Gesetz annehmen und die Zivilgesellschaft hofft noch auf eine Nachschärfung.

Hörtipp: „Unsere Kleidung“ – 4 Sendungen im WDR 5 zu den Auswirkungen der Textilproduktion auf Menschen und die Umwelt – und wie es besser gehen könnte.

Hörtipp auf 4 Sendungen des WDR 5,  Thema: Unsere Kleidung 

Im Fokus steht unser Umgang mit Kleidung und die daraus entstehenden Probleme bei der Herstellung (Arbeitsbedingungen, Verseuchung der Umwelt…)

Folgende Fragen werden ausführlich beleuchtet:

-Welche Auswirkungen hat unser Einkaufsverhalten bis zur Entsorgung der ausrangierten Kleidung und welche Veränderungen wären notwendig und denkbar?

-Wie können Textilien nachhaltig produziert werden ? Dazu gehören u.a. die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten sowie die Zulassung von Gewerkschaften. 

-Was bedeutet die Umstellung der Textilproduktion durch die fortschreitende Automatisierung der Fabriken ?

Die Sendungen laufen jeweils Samstags, vom 2. Januar bis 23. Januar 2021, 13.30 – 14.00 Uhr
Wiederholung: jeweils Sonntags, vom 3. Januar bis 24. Januar 2021, 18.30 – 19.00 Uhr

Nachzuhören sind sie als Podcast unter WDR5 Tiefenblick : Unsere Kleidung. Oder unter diesem Link:

https://www.ardaudiothek.de/tiefenblick/unsere-kleidung-1-4-die-haessliche-seite-der-mode-doku-ueber-die-textilindustrie/84852560

Die Radiodokumentation läuft pro Sendung eine halbe Stunde

Never Ending Story? Die 6. Runde der Verhandlungen um einen Binding Treaty

Die sechste Runde der Verhandlungen um einen verbindlichen völkerrechtlichen Vertrag zur Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen ist am 30.10.2020 in Genf zu Ende gegangen. Der Prozess, der 2014 von Ecuador und Südafrika angestoßen wurde, hat zum Ziel, dass die Staaten Gesetze für internationale Unternehmen schaffen, damit diese die Menschenrechte achten müssen.

In den Verhandlungen des sog. Binding Treaty muss die Balance gefunden werden, zwischen einem Vertragstext, den möglichst viele Staaten ratifizieren (und sich damit selbst daran binden den Vertrag einzuhalten) und zugleich möglichst weitreichende Verpflichtungen zu treffen, damit der Vertrag auch wirksam ist.

Bisher halten sich vor allem die Industrienationen, höflich formuliert, sehr zurück. Insbesondere die Europäische Union sollte sich stärker für einen Binding Treaty engagieren, schließlich will die EU Kommission 2021 selbst ein Gesetz zur Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechte vorlegen.  

Die Verhandlungen endeten damit, dass einige Artikel des Second Revised Draft , also des aktuellen Verhandlungsentwurfs, neu geschrieben und ein Bericht verabschiedet wurden. Mehrheitlich war dieses nüchterne Ergebnis so erwartet worden.

Jetzt haben die Staaten und Stakeholder Zeit bis Ende Februar 2021, um neue Eingaben für die 7. Verhandlungsrunde – voraussichtlich im Oktober 2021 – zu machen. Das nächste Jahr könnte dabei entscheidend sein, dass die so wichtigen Verhandlungen einem Abschluss zu einer konkreten Verpflichtung für die Unternehmen näher kommen.

Eine spannende Zusammenfassung der Verhandlungstage im Einzelnen gibt es hier.

Weitere Informationen zum Prozess gibt es auf den Seiten der Treaty Alliance.

Interessante Anmerkungen im Einzelnen finden Sie hier von dem katholischen Entwicklungsorganisationsnetzwerk CIDSE:

Kurz gefasst: Die Entwicklung der Diskussion um ein Lieferkettengesetz in 8 Punkten

  • Seit Jahrzehnten sind die gravierenden negativen Auswirkungen von rücksichtslosem unternehmerischen Handeln auf die Menschenrechte bekannt. Auch deutsche Unternehmen gehören zu den Beteiligten dieser vielschichtigen Verantwortungslosigkeit.

  • 2011 wurden die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet, die klare Anforderungen an Unternehmen zur Einhaltung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht entlang der gesamten Lieferkette aufstellen. Diese sind jedoch nicht rechtlich verbindlich.

  • Deutschland hat einen Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien veröffentlicht.

  • Während in anderen Ländern (u.a. Frankreich) bereits Lieferkettengesetze verabschiedet wurden, hielt die deutsche Regierung lange an einem Kurs der freiwilligen Einhaltung der Menschenrechte fest. Nachdem Erhebungen im Rahmen des sog. NAP-Monitorings ergaben, dass nur 17 % der deutschen Unternehmen dies auch tatsächlich tun, hat die Diskussion an Fahrt aufgenommen.

  • Mit der Initiative Lieferkettengesetz hat ein Bündnis von mehr als 100 Organisationen den breiten gesellschaftlichen Rückhalt in die Diskussion eingebracht. Auch mehr als 60 Unternehmen sprechen sich für ein Lieferkettengesetz aus.

  • Die Bundesregierung ist sich – angesichts der miserablen Ergebnisse des NAP-Monitorings – grundsätzlich einig, dass ein Lieferkettengesetz verabschiedet werden soll. Anfang des Jahres wurden Entwürfe für Eckpunkte bekannt. Es wird jedoch innerhalb des Kabinetts darüber diskutiert, ab welcher Größe Unternehmen verpflichtet werden sollen und ob bzw. wie weit eine zivilrechtliche Haftung der deutschen Unternehmen reichen soll. Während sich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) für eine etwas ambitioniertere Regelung aussprechen, leistet der Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) widerstand. Dabei weiß Letzterer die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände hinter sich.  

  • Die Initiative Lieferkettengesetz, zu der auch das ECCHR gehört, befürchtet, dass die Regelungen so weit ausgehöhlt werden, dass das Lieferkettengesetz zur Makulatur wird.

  • Auch auf europäischer Ebene wird ein Lieferkettengesetz vorbereitet. Im Frühjahr 2021 wird hier ein erster Entwurf erwartet.